Platypus Review #17 | November 2009
Einleitung
Was bedeutet es zu sagen, dass die Linke tot ist? Und was bedeutet es über die Geschichte der Linken post mortem zu sprechen? Es ist unsere Aufgabe diese Fragen zu adressieren.
Zunächst könnten wir in Betracht ziehen, wie diese Fragen die Entwicklung von Platypus’ Ideen und Aktivitäten geformt haben. Platypus startete mit einem Lesekreis an der „School of the Art Institute of Chicago”. Die Gruppe teilte die Einsicht, dass die Gesellschafts- und Kulturtheorie von Theodor W. Adorno und anderen Mitgliedern des Frankfurter Instituts für Sozialforschung die Erbschaft des revolutionären Marxismus der vorangegangenen Periode in sich birgt. Diese Einsicht war an eine andere gekoppelt: Die Behauptung, dass Adornos theoretische Ideen als Erbe der politischen Praxis von Lenin, Luxemburg und Trotzki zu betrachten sind, hat Platypus in vielerlei Hinsicht in Konflikt mit der existierenden Linken gebracht.
In der Gegenwart hat sich die Linke von der Frage abgewendet, inwiefern der besiegte revolutionäre Marxismus des ersten und zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts in der Frankfurter Schule Mitte des Jahrhunderts fortgeführt wurde. Die Linke betrachtet die Kritische Theorie der Frankfurter Schule als Legitimationsbasis für Enthaltung, die sich hinter einer Kritik der Partizipation versteckt, wohingegen der revolutionäre Marxismus in der vorherrschenden Vorstellung als rücksichtsloser Aktionismus angesehen wird, der alle Mittel den Zwecken unterordnet. Hinter diesen einseitigen Konzeptionen verbirgt sich ein größeres Problem, das offensichtlich seit Marx’ Zeiten existiert, nämlich dass Theorie und Praxis als Gegensätze erscheinen und doch nicht voneinander zu trennen sind. Es kann ebenfalls gesagt werden, dass seit Marx’ Zeiten die Linke am besten als die transformative Kraft in der Geschichte definiert wird, die dieses Problem direkt adressiert, obwohl sie dies oft nur blindlings und auf mangelhafte Weise tut. Dieses Problem des Verhältnisses von Theorie und Praxis lag im Zentrum von Marx’ Politik und den besten Exponenten marxistischer Tradition, bis hin zu Adorno und der Frankfurter Schule.
In dem Scheitern, das Verhältnis von Kritischer Theorie und revolutionärem Marxismus zu adressieren, offenbart sich ein tiefer liegendes Versagen der zeitgenössischen Linken. Die Notwendigkeit, das Problem der Beziehung von Theorie und Praxis zu stellen, wurde dadurch zunichte gemacht, dass Theorie und Praxis in gegensätzliche Lager verwandelt wurden. Selbst wenn behauptet wird, dass Theorie und Praxis koexistieren, ist es offensichtlich, dass dies bloß die Unterordnung des Einen durch das Andere bedeutet.
Durch diese falsche und einseitige Auflösung des Problems von Theorie und Praxis hat die Linke ihr charakteristisches Merkmal preisgegeben und dadurch überhaupt aufgehört eine Linke zu sein. Dies hat tief greifende Auswirkungen auf die Entwicklung der Geschichte des Kapitalismus, in der die Linke traditionell als transformativer Katalysator agiert hat. Weil die Politik der Linken nicht mehr eine Vermittlung zwischen Theorie und Praxis bewerkstelligt, hat die Linke angefangen sich zu zersetzen. In Anlehnung an Adorno bezeichnet Platypus diesen Prozess als „historische Regression”.
Deshalb hat Platypus in seiner intellektuellen Untersuchung damit angefangen, die politische Aufgabe einer Kritik und allmählichen Überwindung der existierenden Linken zu formulieren, da die existierende Linke sich absichtlich und selbstvergessen von der Notwendigkeit verabschiedet hat, sich durch das Problem der Beziehung von Theorie und Praxis hindurch zu arbeiten. Diese Aufgabe ist jedoch nicht mit der bloßen Identifikation des Problems getan. Die Missachtung dieser Problematik seitens der existierenden Linken hat zu einer Anhäufung vieler Schichten von Rationalisierungen und Ausreden geführt, die dazu dienen einfach weiter zu machen, so als sei alles in bester Ordnung. Dadurch liegt die Problemstellung tief begraben unter der Oberfläche heutiger linker Politik. Platypus existiert um dieses Sediment wegzuräumen und abzutragen. Die Gruppe wurde 2006 gegründet um eine Debatte und Diskussion innerhalb der Linken zu fördern, hinsichtlich der Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass die Linke tot ist, und wie können wir in dieser Situation der Losung gerecht werden: „Es lebe die Linke”? | P