Wenn von Jean-François Lyotards postmodernen These des Endes großer Erzählungen – von der Aufklärung bis zum Historismus – die Rede ist, wissen alle: Es geht um Marx. Keine andere große Narration hat das 19. Jahrhundert politisch überlebt. Denn in der Stellung zum Sozialismus zeigte sich das Schicksal der Aufklärung im 19. Jahrhundert in zweifacher Weise: Seit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung blieb dem Liberalismus entweder die kulturpessimistische Beschränkung der eigenen Ideale oder der Übergang ins feindliche Lager.
Die Arbeiterbewegung ihrerseits sollte mit Friedrich Engels Worten „die Erbin der deutschen klassischen Philosophie” sein.1 Dieses Erbe würde bedeuten, die bürgerliche Revolution gründlicher und unter den neuen, durch das Kapital geschaffenen, Bedingungen und Möglichkeiten im Sozialismus über sich selbst hinauszutreiben. Doch von der marxistischen Geschichtsphilosophie, die als Kritik der Geschichte intendiert war, blieb Mitte des 20. Jahrhunderts nur ein kümmerliches Stufenmodel naturgesetzlichen Fortschritts übrig.
Louis Althusser (1918–1990) erkannte darin die Umkehrung des Marxismus von einer „kritischen und revolutionären Theorie” hin zu einer positiven Ideologie, handhabbar, um die politischen Zwecke der Führungen der großen kommunistischen Parteien zu rechtfertigen.2 Für Althusser ist es nur ein kleiner Schritt von der Vorstellung des Sozialismus als Teleologie zu einer Politik der kleinen Schritte. Umgekehrt muss sein Leitmotiv, die philosophische Absage an jegliche Teleologie, verstanden werden. Nämlich als Kritik am Reformismus der offiziellen moskautreuen kommunistischen Parteien und als Versuch der Reaktualisierung einer revolutionären Perspektive im Westen.
In den 1980er Jahren verabschiedete sich eine ganze Generation Intellektueller im Zeichen der Postmoderne von jeglicher Utopie. Doch bereits zuvor war die Neue Linke in den 60er und 70er Jahren mit ihrer Rückkehr zu Marx gescheitert. Aus Sicht von Althusser inszenierten die Studenten weltweit 1968 eine „ideologische Revolte”.3 Sie revolutionierten den kulturellen Überbau, aber nicht die sozialen und politischen Verhältnisse. Er bemerkte damit das Ende der Neuen Linken, die sich dafür entschied, Politik gegen Protest einzutauschen. Das politische Scheitern der Neuen Linken 1968 ebnete sowohl der Post-Moderne als auch dem Post-Marxismus den Weg. Ihre historischen und intellektuellen Ursprünge kreuzen sich.
Die Lage verstehen
Althussers politische Implikationen sind schwer zu durchschauen. Für die Studenten der Neuen Linken galt er zunächst wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Frankreichs als zu konservativ. Seiner moskautreuen Partei hingegen war seine Sympathie für Mao Tse-tung verdächtig.
Althusser bewegte sich als linker Kritiker im Umfeld der italienischen PCI und der französischen PCF. Auf der politischen Landkarte besetzte er eine Nische zwischen diesen, damals massiven Parteien, die auf soziale Reformen und Mitarbeit im Parlament ausgerichtet waren und den maoistischen Zirkeln und Gruppen der Neuen Linken, die eine Art neuen Narodnikitums inszenierten, gekennzeichnet durch den Ruf, zum Volk zu gehen. Zeit seines Lebens kämpfte er gegen den Aufstieg des Eurokommunismus, der nach der Krise der sowjetischen Führung in den 50er Jahren langsam entstand. Diese Erneuerungsbewegung der großen, aber unorthodoxen kommunistischen Parteien war zunächst gegen den russischen Führungsanspruch gerichtet, vermied bald positive Bezüge auf Lenin, billigte Koalitionsregierungen mit sozialdemokratischen und bürgerlichen Parteien und brandmarkte schließlich Mitte der 70er Jahre das Konzept der Diktatur des Proletariats als anarchistische Entgleisung.
Will man Althussers Kritik verstehen, ist es geboten, die Situation zu berücksichtigen, in der sich die kommunistische Weltbewegung zu diesem Zeitpunkt befand. Dies betont auch Althusser mehrfach in seinen eigenen Schriften, wie etwa in Für Marx (1962–5). Die „theoretische wie politische Sackgasse”4 deutete als Erster Nikita Chruschtschow nach Stalins Tod an – der neue Parteichef der KPdSU lieferte 1956 mit seiner berüchtigten Geheimrede gegen den Personenkult die erste Kritik an Stalin von Seiten der Parteiführung. Für viele Kommunisten enthüllte die auf die Person Stalins beschränkte Kritik tiefere Probleme, als sie erklären konnte. Die Aufstände wenige Monate später im Ostblock, in Polen und Ungarn, die blutig von der Roten Armee (bzw. von der Polnischen Volksarmee) niedergeschlagen wurden, richteten sich jedoch unter dem Ruf nach Rätedemokratie und einer Rückkehr zu Lenin und Marx auch gegen die neue sowjetische Führung. Bald folgte außerdem der Bruch zwischen den chinesischen und den russischen Führungsriegen, die den Konflikt ihrer bürokratischen Apparate mit marxistischer Rhetorik rechtfertigten und sich gegenseitig des Revisionismus bezichtigten.
In den westlichen Ländern inspirierten diese Konflikte die Neue Linke politisch und ideologisch. Die Entstehung der Neuen Linken und die Krise der kommunistischen Bewegung können deshalb beide auf 1956 datiert werden. Die weiterhin moskautreue Linke in Westeuropa wurde nun von zwei neuen Strömungen bedrängt. Die eurokommunistische Strömung war eher daran interessiert, die Kritik an Stalin und dem Stalinismus zu vertiefen. Für Althusser vertrat der Eurokommunismus den alten Revisionismus von Eduard Bernstein und Léon Blum. Die ganze Begeisterung für den jungen Marx, die in den 1940ern und 50ern insbesondere den kommunistischen Parteijugenden verordnet wurde, hatte für Althusser den Sinn, den Marxismus in eine humanistische Moralphilosophie umzubiegen. An die Stelle des Klassenkampfs sollte die humanistische Versöhnung aller Wohlmeinenden treten. Althussers philosophische Erörterungen zum Kapital, seine Darstellung der Entwicklung des Denkens bei Marx und die Texte über das Verhältnis von Marx und Hegel richten sich vor allem gegen den humanistischen Marx der Pariser Manuskripte. Leszek Kołakowski bezeichnet Althussers Abspaltung eines frühen humanistischen Marx von „dem” Marx als religiös.5 Er weist damit zurecht darauf hin, dass sich Althusser innerhalb der Ikonographie der späten Kommunistischen Parteien bewegt. Althusser verfolgte dabei den politischen Zweck, zwei wesentliche Entstellungen des Marxismus in der „kommunistischen Weltbewegung” zu „korrigieren”.6 Einerseits kritisierte er den Ökonomismus (oder Determinismus), für den alleine das Anwachsen der Produktivkräfte zum Sieg des Sozialismus genügte. Diese Vorstellung ging davon aus, dass die Sowjetunion den Westen langsam überholen müsste, solange ein militärischer Konflikt verhindert würde. Die westlichen kommunistischen Parteien sollten sich ruhig verhalten und bestenfalls auf Reformen drängen, um nicht eine Intervention zu provozieren. Andererseits kritisierte Althusser den Humanismus, der davon ausging, das bürgerliche Lager könne zu einer friedfertigen Haltung gegenüber der Sowjetunion überredet werden und dass eine Politik im Namen des ganzen Volkes möglich sei.7
Die offene Orientierung der moskautreuen und eurokommunistischen Marxisten auf einen evolutionären Übergang zum Sozialismus nach 1956 half einer anderen, neuen, maoistischen Strömung zum Aufstieg, die sich als genuin-revolutionäre Alternative darzustellen suchte. Doch die maoistische Kritik an Chruschtschows „Wiederherstellung des Kapitalismus in der Sowjetunion” und seiner Doktrin der „friedlichen Koexistenz der Systeme” verschonte Stalin nicht nur vergleichsweise, sondern verherrlichte ihn explizit als Verteidiger der Errungenschaften der Revolution. Althusser vertrat bis etwa Mitte der 1970er eine solche links-stalinistische oder maoistische Perspektive innerhalb der eurokommunistisch dominierten PCF. In einer Antwort auf die Kritik von John Lewis schreibt Althusser beispielsweise, dass die einzige „linke” Kritik des Stalinismus im Gegensatz zur „liberalen, humanistischen, bürgerlichen Kritik […] im Kurs liegt, der von der Chinesischen Revolution eingeschlagen wurde.”8 Er verteidigte Stalin,9 lobpreiste Mao und, wenn er in seiner Kritik am Reformismus der PCF (sowohl in der moskautreuen als auch in der eurokommunistischen Phase dieser Partei) aus Sicht der Führung über die Stränge geschlagen hatte, übte er immer wieder Selbstkritik, um seine Parteimitgliedschaft zu retten.
Althusser geht sehr schematisch mit seinen Feindbildern um:10 Humanisten sind ihm nicht nur jene, die erklären, wie der Mensch qua Natur nun mal sei, sondern alle, die überhaupt annehmen, dass das Subjekt die Weltgeschichte beeinflusse. So geraten Georg Lukács, Jean-Paul Sartre und Eugen Dühring (gegen den Engels seine vernichtende Kritik gerichtet hatte) gemeinsam unter die Räder. Für die nicht so kleinen Unterschiede zwischen Anthropologien, die ein unverändertes Wesen vom Höhlenbewohner bis zum homo oeconomicus behaupten und jener von Rousseau und Marx, hat Althusser keine Geduld. Gerade hier setzt die Dialektik von Marx an: in der Fähigkeit des Menschen sich selbst in und durch Gesellschaft zu verändern und der Widersprüchlichkeit, die diese im Kapitalismus annimmt. Während Marx noch darauf hingewiesen hatte, dass die Beziehungen zwischen Menschen im Kapitalismus „dinglich” und scheinbar „naturgesetzlich” erscheinen,11 sieht Althusser umgekehrt die Gefahr in Anlehnung an den Psychoanalytiker Jacques Lacan in der „Illusion des Subjekts”.12 Für Althusser konstituieren die gesellschaftlichen Strukturen das Subjekt vollständig objektiv: Es wird durch omnipräsente Ideologie bestimmt und merkt es noch nicht einmal. Althusser nennt es deshalb „überdeterminiert”. Seine „Illusion” bestehe in der Täuschung, rational und autonom handeln zu können. Komplementär zur objektiven Ohnmacht des Subjekts steht die Allmacht der Struktur, deren Spontaneität Althusser fetischisiert. Aller Wandel in der Welt wird bei ihm durch den immanenten Widerspruch eines „schon gegebenen, komplexen, strukturierten Ganzen” bewirkt.13 Widerspruch wie Struktur bilden für Althusser eine komplexe Einheit. Diese ist jedoch auf Dauer nicht stabil und bricht deshalb an nicht vorhersehbaren Stellen zufällig – „aleatorisch” – auf. Nicht die strukturierende Tätigkeit des Subjekts „modifiziert” die Struktur und vice versa, sondern alleine die Struktur modifiziert die Tätigkeit.14 „Das Absolute ist der Prozess ohne Subjekt, sowohl in der Realität als auch in der Wissenschaft”, schreibt er knapp in seinem Essay Lenin und Hegel von 1969.15
Alfred Schmidt betrachtet Althussers „Verabsolutierung der Struktur” vor dem Hintergrund des realen geschichtlichen Regresses von Subjektivität.16 Talcott Parsons soziologische Systemtheorie, der Strukturalismus von Claude Lévi-Strauss und Althussers Marxismus drücken für Schmidt eine „Geschichtsmüdigkeit” aus, die die Gesellschaft nicht erst nach dem Ende der Sowjetunion befallen hat. Da die Fähigkeit, sich in Geschichte und Gesellschaft wiederzuerkennen, vom realen Einfluss des Subjekts abhängt, korreliert der Befund der „Geschichtsmüdigkeit” mit der Diagnose einer allgemeinen „Schwächung des Ichs”.17 Mit dem Niedergang der Linken im 20. Jahrhundert ist die Hoffnung, die Welt zu verändern, geschwunden. Gleichzeitig steigt die Ohnmacht des Subjekts unter der fortdauernden Herrschaft des Kapitals. „Das Schrumpfen des Bewusstseins historischer Kontinuität […] ist kein bloßes Verfallsprodukt […], sondern […] mit der Fortschrittlichkeit des bürgerlichen Prinzips notwendig verknüpft”, schreibt Adorno in Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit.18 Wenn die Zeitlosigkeit des Tausches (das „bürgerliche Prinzip”) rational ist, dann wird Geschichtsbewusstsein irrational. Für Schmidt macht Althusser aus der Desintegration des Subjekts eine Tugend. Althussers Theorie verspricht eine Neuauflage des Marxismus, die ohne Geschichtsbewusstsein und ohne Subjekt auskommt.
Gleichzeitig öffnet Althusser für die Neue Linke eine Tür, die aus der theoretisch wie politisch eisigen Zelle eines dogmatisierten und denkfeindlichen Marxismus-Leninismus herausführen soll. Anders als trotzkistische Gruppen, die sich durch die Geschichte in ihrer Kritik der Dritten Internationale nach Lenin bis heute bestätigt fühlen, aber ihre politische Irrelevanz und die Sterilität ihrer politischen Strategie nicht erklären können, stellt sich Althusser den Problemen der kommunistischen Weltbewegung ohne mit der Tradition Stalins zu brechen. Für jenen Teil der Linken, der die Strategie des Sowjetregimes in der Stalin-Ära grundsätzlich für richtig hielt, aber dennoch mit den Moskauer Prozessen und den Gulags nicht einverstanden war, stellten sich spätestens nach 1956 einige „brennende Fragen”: Wie konnte die Arbeiterklasse Russlands und die kommunistische Partei den Mord an der gesamten Garde alter Bolschewiki, den Massenterror und die Verfolgung im Namen des Sozialismus hinnehmen? Wie konnte sie den, seit dem XX. Parteitag der KPdSU denunzierten Despotismus einer Person – Stalins (laut Althusser die „allerbrennendste Frage”) – tolerieren?19 Wieso protestierte die kommunistische Weltbewegung nicht, als Stalin 1943 die kommunistische Internationale auflöste und wieso gibt es auch nach dem offiziellen Ende der Stalin-Ära keine Strategie für die „Revolution im Westen”?20 Althussers umfangreiche, philosophische Antwort offenbart die tiefe Ambivalenz der Neuen Linken gegenüber dem Marxismus insgesamt: Bei aller gleichzeitigen Bilderverehrung waren ihr nicht bloß Stalin oder Lenin, sondern auch Marx und Engels selbst problematisch. Als Althusser Ende der 1970er Jahre die Krise des Marxismus ausruft, sind alle vier Köpfe mitverantwortlich. Sowohl Althusser als auch große Teile der Neuen Linken glauben, dass in den Moskauer Prozessen auch ein Quäntchen von Marx steckt. Doch bevor Althusser mit einer radikalen Teleologiekritik eine völlige Neubegründung des Marxismus unternimmt, versucht er im Sinne von Marx, „für” diesen, das Konzept der materialistischen Dialektik zu retten.
Für Marx
Althusser präsentiert sein Konzept der Überdetermination in Für Marx als Meta-Theorie der geschichtlich-politischen Werke von Marx bis Lenin. In „extrem prätentiöser Sprache” gerieren sich Texte wie Über die materialistische Dialektik (1963) als Grundlegung zu der Dialektik, die Marx schreiben wollte, aber geplagt von Krankheit nicht mehr schreiben konnte.21 Wie Althusser allerdings in seinem Spätwerk, dem Text über den Aleatorischen Materialismus (1982–3) klarstellt, soll das Konzept nicht als neue Philosophie, sondern als methodisches Korrektiv gegen „Abdichtung” und für „Öffnung” verstanden werden.22
Mittels Sprache wird latent mehr gesagt, als manifest gemeint; für Lacan drückt sich darin die „Überdetermination” durch das Unbewusste aus. Mit diesem Konzept deutet Althusser den Begriff des Widerspruchs bei Hegel und Marx. Eine „Häufung von „Umständen” und „Strömungen […], welchen Ursprungs sie auch sein und in welcher Richtung sie auch gehen mögen”,23 führt bei ihm zu strukturell zufälligen Veränderungen. Althusser folgt Martin Heideggers Diktum, dass überhaupt die Frage der Philosophen nach dem Sein falsch gestellt sei. Seine Theorie des Zufalls soll die Gewissheit untergraben, mit der manche Marxisten den Sozialismus erwarten. Es kann nicht vorab erkannt werden, welche Ursachen zu einem Bruch führen oder an welcher Stelle der komplexe Widerspruch von einer „nicht-antagonistischen” in eine „antagonistische Phase” wechselt. Bei Althusser wird nicht nur Lacans eigentlich psychoanalytische Theorie, sondern ebenso Epikurs antike Philosophie, in der Atome durch zufällige Begegnungen Welten und deren Wandel produzieren, aus ihrem jeweiligen Gegenstandsbereich entrückt und auf moderne Gesellschaften angewendet. Inspiriert durch Epikur und Lacan ersetzt Althusser die Dialektik von Subjekt und Objekt durch eine Ontologie.
Korrigieren soll die Theorie der Überdetermination zunächst die Annahme, die alle gesellschaftlichen und politischen Phänomene nur als reine Erscheinungen des „einfachen allgemeinen Widerspruchs” „zwischen zwei antagonistischen Klassen” auffasst.24 Aber auch Antonio Gramscis Sichtweise, die den Widerspruch zwischen den Klassen durch spezifisch geschichtliche Wechselwirkungen zwischen Basis und Überbau ergänzt, findet Althusser nicht plausibel. Für Althusser verkennt auch ein ausdifferenzierter Determinismus die „eigene Wirksamkeit” verschiedener Widersprüche. Nur im entscheidenden Augenblick würden die verschiedenen Widersprüche „zu einer Einheit des Bruchs ‚verschmelzen’“.25 „Überbleibsel” vergangener Produktionsweisen, politische „Stagnation”, die „Ungleichzeitmäßigkeit” der weltweiten Entwicklung und der Übergang in den Sozialismus sind für Althusser nur zu verstehen, wenn auch eine Eigendynamik der verschiedenen Widersprüche bedacht wird. Die Widersprüchlichkeiten bilden jedoch keine Pluralität, sind miteinander verschränkt und in „letzter Instanz durch die Ökonomie” bedingt, wie Althusser nicht müde wird zu betonen. Leszek Kołakowski weist in seiner Kritik an Althusser zurecht darauf hin, dass besonders unter dem Motto des Kampfes gegen kapitalistische „Überbleibsel”, alle Repression, Verfolgung politischer Gegner und Unfreiheit in der Sowjetunion seit Stalin gerechtfertigt wurde. Althusser untermauert Stalins Rechtfertigung einerseits, andererseits wendet er sie auf Stalin selbst an, dessen Terror nun auch als „Überbleibsel” der Vergangenheit gedeutet werden kann.
Politisch ging es Althusser jedoch auch darum, dass die kommunistischen Parteien sich den Massen öffnen und sich nicht mehr einseitig – arbeitertümmlerisch, wie Lenin sagen würde – am Industrieproletariat orientieren. Generell ist Althussers Neuentdeckung des Marxismus in Anbetracht der Klassiker obskur: Wer aufmerksam und in verständnisvoller Absicht (d.h. ohne anachronistische Kritik zu üben) deren Werke heute liest, wird vieles, wie die „relative Autonomie der Überbauten”, auf die Engels schon verwiesen hat, oder die Kritik an abstrakten Anthropologien und am Ökonomismus dort finden. Andererseits überstrapaziert Althusser den Materialismus und entfernt so den dialektischen, über sich selbst hinausweisenden Charakter des Kapitalismus.
Statt wie C. W. Mills in seinem Brief an die Neue Linke 1962 gefordert hatte, den Kampf nach dem Endziel, der Utopie, auszurichten, in dessen Verlauf sich nach Marx die revolutionäre Klasse erst konstituieren würde, suchte die Neue Linke im Zeichen eines Realismus ein vorhandenes revolutionäres Subjekt.26 Sowohl der Stalinismus der alten Linken als auch die Neue Linke entsagten damit der Aufgabe, die empirisch-soziologisch vorhandene Arbeiterklasse über sich selbst hinauszutreiben und sie in der klassenlosen Gesellschaft aufzuheben. Wer die Frage nach dem revolutionären Subjekt mit Althusser beantwortete, konnte ohne weiteres eine ganze Unzahl von Bewegungen entdecken: die anti-kolonialen Bewegungen in der dritten Welt, den Feminismus und die Ökologiebewegung (um nur einige zu nennen). Althusser selbst hatte wenig übrig für diese Bewegungen. In Für Marx weist er darauf hin, dass Brüche „notwendigerweise und paradoxerweise der Revolution aufgrund ihres Ursprungs und ihrer Ausrichtung völlig fremd, oder sogar „absolut entgegengesetzt” sein können.27 Doch spätestens seit dem Niedergang der sozialistischen Zweiten Internationale ist es immer schwieriger, Revolution und Konterrevolution voneinander zu unterscheiden. Althusser jedoch hat mit dem Humanismus auch die Möglichkeit der Begründung der Utopie einer menschenwürdigeren, freien Zukunft versperrt. Nach welchem Kompass soll sich die durch Althusser inspirierte Linke in einer Welt voller Umbrüche, aber ohne Kampf um Sozialismus orientieren?
Gegen Marx
Louis Althussers Spätwerk könnte gegensätzlich gedeutet werden. Entweder: Es beinhaltet das Geständnis eines gealterten, psychotischen Intellektuellen, der nicht mehr daran glaubt, dass seine rigoros-materialistische Interpretation des Werkes von Karl Marx durchzuhalten ist und seine Frühwerke Für Marx und Kapital lesen (1965) revidiert. Oder: In den Spättexten – Die Krise des Marxismus (1978), Marx und seine Grenzen (1978–9), die vor dem Ausbruch seiner Psychose und dem Mord an seiner Frau Hélène Rytman geschrieben wurden und jenen danach, Der Unterstrom des Materialismus der Begegnung (1982–3), sowie Aleatorischer Materialismus – wird ein Versuch gesehen, das Frühwerk „neuzuschreiben” und die „bisher unsichtbaren Muster” offenzulegen.28
Althussers Spätwerk (teilweise erst posthum veröffentlicht) enthält – befreit von der Zensur, der er sich als Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs bis Anfang der 70er Jahre unterwerfen musste29 – ein Motiv, das, philosophisch chiffriert, sein ganzes Werk durchzieht: eine materialistische Neubegründung des Marxismus. Statt an der klassisch modernen Philosophie, arbeitet sich Althussers Aleatorischer Materialismus an den Vorsokratikern, Epikur, Spinoza, Machiavelli, Heidegger und Lacan ab. Neuester und ältester Materialismus treffen sich hier.
Geleitet von seiner Einsicht, dass „es unmöglich ist, zugleich Marxist und kohärent zu sein”30, enthält das Spätwerk so betrachtet die Quintessenz des Frühwerks ohne argumentationstaktischen Kampf um den wahren Buchstaben von Marx. Beispielsweise kann dann verstanden werden, warum Althusser den Begriff der Dialektik, der in seinem Frühwerk oftmals synonym für sein eigenes Konzept der „Überdetermination” verwendet wird, im Spätwerk gänzlich ablehnt: „Die Dialektik ist mehr als fragwürdig, ja sie ist sogar schädlich, d.h. sie ist immer mehr oder weniger teleologisch.”31
Entgegen seiner Frühschriften, in denen Althusser noch glaubte, Hegel feinsäuberlich aus Marx herausschneiden zu können, geht er hier von der Unvereinbarkeit gewisser „idealistischer Überbleibsel bei Marx” mit der „materialistischen Logik” aus, die in den historischen Kapiteln des Kapitals enthalten seien.32 Die Komplexität und Kontingenz des geschichtlichen Verlaufs könne nicht aus der Wertform begriffen werden, so Althusser. Schon in seinem Frühwerk Für Marx spitzt er einen Gedanken Antonio Gramscis zu, der die Oktoberrevolution 1917 die Revolution gegen das „Kapital” genannt hatte. Gramsci meint dabei nicht den Kapitalismus, sondern Marxens magnum opus.
“Denn befinden wir uns nicht immer in der Ausnahme? Eine Ausnahme war das [Scheitern von 1848 in Frankreich und das] deutsche Scheitern von 1849, eine Ausnahme das Pariser Scheitern von 1871, eine Ausnahme das Scheitern der deutschen Sozialdemokraten zu Beginn des 20. Jahrhunderts (in Erwartung ihres chauvinistischen Verrats von 1914), eine Ausnahme der Erfolg von 1917 […] Dies sind alles Ausnahmen gewesen, aber in Bezug auf was? Etwa in Bezug auf eine gewisse ganz abstrakte, aber doch bequeme und beruhigende Vorstellung eines „dialektischen”, bereinigten, einfachen Schemas, das gerade in seiner Einfachheit gewissermaßen die Erinnerung des Hegelschen Modells bewahrte oder einfach dessen Gangart wieder aufnahm – und zwar den Glauben an die lösende „Kraft” des abstrakten Widerspruchs als solcher. Im vorliegenden Fall ging es um den „schönen” Widerspruch von KAPITAL und ARBEIT” – schreibt Althusser in Für Marx.33
Für Althusser marodiert in der Warenform versteckt der hegelianische Begriff. Marx wie Hegel stülpten mit vereinten Kräften der Geschichte eine immanente Logik über. Auch Althussers Feldzug gegen das Kapital begann schon in seinem Frühwerk: „In fact, one cannot understand Volume One Part I at all without completely removing its Hegelian ‘lid’, without […] if you will forgive the presumption, re-writing it”, schreibt er in Lenin und Hegel.34
Althusser geht davon aus, dass Marx nur eine Wissenschaft eingeleitet hat, die erst noch geschaffen werden muss, indem der Marxismus von seiner angeblichen Teleologie bereinigt wird. An dieser Stelle hebt auch die post-marxistische Theoriebildung wie bspw. Alain Badious Kommunismus ohne Marxismus an.
Indem Althusser den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit in eine Ontologie der kapitalistischen Struktur verwandelt, reduziert er ihn ökonomistisch. In einem Vorgriff auf den Intersektionalismus erkennt er vage den Mangel einer solchen Konzeption des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit, aber weiß diesen nur durch andere Widersprüchlichkeiten zu ergänzen. Doch nicht die Anhäufung verschiedener Widersprüche machen den Kampf um Sozialismus aus, sondern die Richtung, in der jeder einzelne gesellschaftliche Kampf mit Bewusstsein geführt wird. Für Marx war der Klassenkampf ein politischer Kampf um die Macht, indem sich das Interesse der ganzen Menschheit an einer grundlegenden Revolution aller Sozialstrukturen kristallisieren sollte. Der Klassengegensatz ist zwar nur einer von vielen Gegensätzen, mit denen Gesellschaft beschrieben werden könnte, aber im Unterschied zu anderen Einteilungen – „Hautfarbe”, „Sexualität” bspw. – beschreibt er kein scheinbar schicksalhaftes Sein, sondern fordert ein Werden. „Trotzdem”, schreibt Max Horkheimer in einem Aphorismus über die Relativität der Klassentheorie, „erweist sich die Unterscheidung gesellschaftlicher Klassen als den anderen Gesichtspunkten überlegen, denn es kann gezeigt werden, dass zwar die Aufhebung der Klassen auch eine Veränderung der anderen Gegensätze mit sich bringt, nicht aber umgekehrt die Aufhebung der anderen Gegensätze die Abschaffung der Klassen.”35
Ohne Hegel
Althusser identifiziert all jene Elemente des Marxismus seiner Zeit mit Hegel, die der Stalinismus – oft in Anleihe an frühere vulgärmarxistische „Theorien” – erst in den 1920er Jahren zur „orthodoxen” Marxinterpretation erhoben hat. Für ihn liegen die Probleme des Stalinismus in Hegel. Marx und Engels jedoch wiesen mit etlichen anderen Junghegelianern darauf hin, dass die Dialektik Hegels dem abgeschlossenen System der hegelschen Philosophie nicht nur widerspricht, sondern darüber hinausweist. Hegels System und seine Theodizee werden für Marx spätestens durch den Selbstwiderspruch bürgerlicher Sozialbeziehungen im Kapitalismus obsolet. Im Kapitalismus führt Arbeit nicht mehr zu Eigentum und Freiheit, wie Hegel es angenommen hatte, sondern zur Verewigung des Arbeiters als Lohnarbeiter.36 Trotz aller Taschenspielertricks, mit denen Hegel die „Unbedingtheit” des Geistes in die Beschränktheit des Preußischen Staates zwängt, blieb er dem Zweck seiner Philosophie der Freiheit in einer wichtigen Hinsicht verpflichtet. Freiheit kann bei Hegel nur existieren, wenn die politischen Institutionen dem Individuum auch eine freie Entwicklung ermöglichen. Auch er nimmt sich nicht aus, wenn er schreibt: Jede Philosophie ist „ihre Zeit in Gedanken erfasst”.37
Marx widmete sich der Untersuchung bürgerlicher Sozialbeziehungen gerade deshalb, weil Hegel von diesen die soziale und politische Verwirklichung der Freiheit in Übereinstimmung mit Adam Smith erwartet hatte. Für Marx jedoch treten diese Sozialbeziehungen mit der Industriellen Revolution in einen Widerspruch. Einerseits strebt das Kapital danach, „die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren […], während andererseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums” bestehen bleibt.38 Das Kapital ist „selbst der prozessierende Widerspruch” geworden.39 Eine höhere gesellschaftliche Organisation der Produktion, in der „disposable time das Maß des Reichtums” wird, ist für Marx gerade deshalb möglich, weil das Kapital diese Freiheit sowohl ermöglicht, als auch unterdrückt.40
Marx Absicht, die versprochenen, aber uneingelösten Potentiale dieser Gesellschaft revolutionär zu verwirklichen, wird durch Althussers Anti-Hegelianismus zum Anti-Kapitalismus verklärt. Statt in und durch gesellschaftliche Beziehungen den Kommunismus verwirklichen zu wollen, definiert Althusser ihn gerade als scheinbare Abwesenheit von Gesellschaft, an Orten wo, wie ehedem in vormodernen Zeiten, der Einzelne im Kollektiv aufgehen soll: „There are islands of communism everywhere across the world, for example: the church, certain trade unions, also in certain cells of the Communist Party”, sagt er 1980 in einem Interview.41
Damit kehrt Althusser Marx um, bei dem die „freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller” werden sollte.42 Das bürgerliche Recht sollte, wie Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms 1875 schrieb, im Sozialismus erst wirklich realisiert und dadurch aufgehoben werden. Der Sozialismus sollte eben nicht hinter das bürgerliche Recht zurückfallen. Entsprechend war für Marx Sozialismus nicht deshalb möglich, weil der Kapitalismus Unzufriedenheit und Brüche produziert, die die bürgerlichen Sozial- und Rechtsbeziehungen aushöhlen, sondern weil die bürgerlichen Sozialbeziehungen über sich selbst hinausweisen. Althusser hingegen betrachtet die bürgerlichen Sozialbeziehungen schlicht als neue Herrschaftsstruktur, die zerschlagen werden soll. Doch Unzufriedenheit und Kampf gegen Unterdrückung hat es auch ohne das moderne Potential auf Freiheit schon in der Vormoderne gegeben. Das Projekt der „zweiten Aufklärung” von Marx wird bei Althusser zur Gegenaufklärung, die das Potential von Freiheit als Illusion abtut.43
Für Marx – Hegel und Kant folgend – ist Bewusstsein keine passive, vom Willen getrennte Kategorie, sondern theoretisch und praktisch zugleich. Marx nennt den Warenfetisch deshalb ein notwendig-falsches Bewusstsein, weil in der Praxis der Tauschgesellschaft die menschlichen Beziehungen wirklich dinglich repräsentiert werden. Das Subjekt ist praktisch wirksam gerade „soweit es ins Objekt fällt”, soweit es gesellschaftlich ist.44 Althusser missversteht die Dialektik deshalb, weil er von falschen Prämissen ausgeht. Bewusstsein hat für ihn keine praktische Bedeutung, sondern ist lediglich das, was in unseren Köpfen spukt und durch die ideologische Struktur bestimmt ist. Damit verweist er unbewusst auf den Regress im 20. Jahrhundert: Seine Partei verstand unter einem klassenbewussten Arbeiter nur noch jemanden, der kommunistisch wählt. Dem stellt er die Forderung nach Praxis gegenüber. Doch die kann vielfältig sein und diametral entgegengesetzte politische Zwecke verfolgen. Das Objekt, bei Althusser die Struktur alleine, ist gerade deshalb widersprüchlich, weil auch das Subjekt in dieses „fällt”. Der Widerspruch wird so, aus marxistischer Sicht, auch durch das Bewusstsein (und dessen Objektivierung in politischen Organisationen) derjenigen geformt, die mit ihrer strukturierenden Tätigkeit das Objekt reproduzieren. Entweder die Menschen handeln einem Klasseninteresse nach oder sie exekutieren ihre Konkurrenz als Arbeitskräfte willig gegeneinander. Beide Interessensrichtungen sind objektiv möglich, könnten wirksam werden und so den Widerspruch qualitativ formen. Für Althusser hingegen ist die qualitative Bestimmung des Widerspruchs eine rein soziologische. Er umgeht damit das Problem der Politik innerhalb der Arbeiterklasse.
Paradoxerweise gibt es einen Satz bei Hegel dem der strikte Anti-Hegelianer Althusser voll und ganz zustimmt: „Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug”.45 Althussers aleatorischer Materialismus begreift sich selbst als eine neue Praxis der Philosophie oder als Non-Philosophie. „Marxism is not a (new) philosophy of praxis, but a (new) practice of philosophy”, schreibt er in Lenin und die Philosophie.46 Weil für ihn Bewusstsein immer dem Prozess hinterherhinkt, verzerrt es den Prozess immer latent idealistisch. Das Ziel von Althussers Marxismus besteht darin, die aus der „Lücke” zwischen dem objektiven Prozess und dem Bewusstsein entstehenden „idealistischen Abweichungen” zu bekämpfen.47 Genauer gesagt: Althusser weist Marxismus die sehr begrenzte Aufgabe zu, Wissenschaft und Politik gegen ideologische Entgleisungen zu schützen. Damit soll der Spontaneität der Struktur, dem durch sie bedingten „spontanen” Entstehen proletarischer Politik und Wissenschaft, möglichst freie Fahrt gewährt werden. Doch „es gibt Spontaneität und es gibt Spontaneität”, schreibt Lenin in Was tun? und verweist damit auf die Rolle vorhergegangener Kämpfe und dem durch sie gewordenen Massenbewusstsein.48 Die Spontaneität bei Althusser hingegen bleibt abstrakt und ungeschichtlich.
Bei Althusser gibt es vier verschiedene Strukturen oder Sphären von Praxis: gesellschaftliche, politische, ideologische und wissenschaftliche. Sie folgen alle jeweils einer eigenen Methodik. „Die Theorie ist für die Praxis wesentlich, für die Praxis, deren Theorie sie ist, ebenso wie für diejenige, der sie noch helfen kann, zu entstehen oder zu wachsen”, schreibt er.49 Althussers eigene „marxistische Dialektik” bspw. ist also nur die Methodik der wissenschaftlichen Praxis, nicht aber der gesellschaftlichen oder politischen Praxis. Was oberflächlich betrachtet denkfreundlich aussieht und jedem „marxistischen” Theoretiker erlaubt, mit gutem Gewissen in „wissenschaftlicher oder ideologischer” Praxis „dem Klassenkampf in der Akademie” nachzugehen, isoliert Theorie in Wirklichkeit. Marxistische Theorie ist der Praxis demnach strukturell ein- und untergeordnet. Althusser wiederholt mit dieser theoretischen Setzung nur die reale Trennung der Intellektuellen von den Arbeitern, die der Stalinismus erst gewaltsam durchgesetzt hat.
Politische Praxis im marxistischen Sinne existiert ohne Beziehung zum Endziel nicht. Wenn in der marxistischen Tradition vom subjektiven Faktor die Rede war, dann gerade deshalb, weil die Massen unter kapitalistischen Verhältnissen nicht alleine fähig sind, Sozialisten zu werden. Mit anderen Worten: Ohne Vermittlung zum geschichtlichen Ziel der Klasse kann kein gemeinsames Interesse den Anlass zur Organisierung als Klasse geben. Für Marxisten zeichnet sich die Partei der Arbeiterklasse gerade im Unterschied zu Gewerkschaften dadurch aus, dass sie danach strebt, die verschiedenen berufsmäßigen, nationalen und regionalen Einzelinteressen in der empirischen Arbeiterklasse zu überwinden. Mit Klassenbewusstsein war sozialistisches Bewusstsein gemeint.
Althusser ersetzt den Begriff des Klassenbewusstseins durch den Begriff des „revolutionären Willen”, an den man glauben muss. Hier die Theorie der Partei, die sich Vorhut der Arbeiterklasse im Kampf um den Sozialismus nennt, dort der stoische „revolutionäre Wille”, der erträgt, was auch immer im Namen der Theorie für Verbrechen begangen werden. „The working class only has its revolutionary will, its theory and its free organization of the struggle, sealed in the unity of thought and action”, schreibt Althusser in seiner Kritik der Parteiführung, Über den 22. Kongress der Kommunistischen Partei Frankreichs, im Juli 1977.50
Althusser greift auf Lacan zurück und benutzt ihn für seine politische Theorie. Wo Freud die Aufgabe der Psychoanalyse darin sah, das Ich zu stärken und das Bewusstsein gegenüber dem Unbewussten zu fördern – „Wo Es war, soll Ich werden” – betont Lacan den entgegengesetzten Part. Er betont, die schon von Freud erkannte Brüchigkeit des Ichs und hebt die Bedeutung des Unbewussten hervor.51 In seinen sozialtheoretischen Vorlesungen gipfelt diese Betonung in seiner bekannten Behauptung, die Autonomie des Subjekts sei eine Illusion. Für Lacan soll der „volle Text” des Subjekts im „Es” zu finden sein, das in der Lacan’schen Freuddeutung vom Ich unterdrückt wird. Folglich besteht für Lacan die Aufgabe der Psychoanalyse eher darin, das Ich empfänglicher für das Es zu machen, seinen vermeintlichen Widerstand zu brechen. Althusser argumentiert im Sinne dieser äußerst fragwürdigen Freudinterpretation52 für seinen Anti-Humanismus: „If the workers are told that ‘it is men who make history’ … sooner or later, that helps to disorient or disarm them. It tends to make them think that they are all-powerful as men … prevents them from making use of the only power they possess: that of their organizations as a class and their class organizations … by which they wage their class struggle”, schreibt er in einem Brief an John Lewis.53
Der Gegensatz zwischen Freud und Lacan spiegelt den Gegensatz von Marx und Althusser. Während bei Althusser die Schwäche der Arbeiter, ihre Ohnmacht zur Organisierung führen soll, liegt die Stärke der Arbeiterklasse nach Marx in der Möglichkeit zu erkennen, dass sie bereits den gesellschaftlichen Reichtum produziert – jedoch als Kapital und damit als fremde und sie beherrschende Macht. Die Arbeiterklasse macht Geschichte (sie ist ihr „Subjekt-Objekt”, wie Lukács sagt), nur eben bislang unbewusst und damit für entfremdete Zwecke. Nur wenn die Arbeiterklasse ein Bewusstsein ihrer potentiellen Stärke entwickelt, könnte sie auch die Revolution vollbringen und eine zukünftige Gesellschaft aufbauen. Aus einem (Un-)Bewusstsein der Schwäche und Ohnmacht des einzelnen Arbeiters folgt bestenfalls die defensive Vereinigung in einer Gewerkschaft, schlimmstenfalls der Ruf nach einem autoritären Führer.
Die Mystifikationen post-marxistischer und post-moderner Theorien sind in Althussers Liquidation der Dialektik von Subjekt und Objekt vorweggenommen. Sie setzt die reale Desintegration der Dialektik von Theorie und Praxis in der Geschichte des Marxismus im 20. Jahrhundert voraus. Auf verquere Weise ahnt Althusser in seiner Teleologiekritik, dass der lebendige Kampf um das Endziel längst anderen, untergeordneten Zwecken preisgegeben wurde.
Die Massenlinie: Maoismus und Anarchismus
Für Althusser gilt, was Bertold Brecht als die Grundbestimmung bürgerlichen Denkens ausgemacht hat: Es ist extrem.54 Es erkennt entweder nur die Gesellschaft oder nur das Individuum an. Wie beides einander bedingt, bleibt ein Rätsel. Auch Althusser geht immer einen Schritt zu weit: Sein Subjekt ist vollständig objektiv konstituiert. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum Althusser plötzlich zum Anarchismus tendiert und in einem Interview 1980 Anhänger wie Kritiker überrascht: „I am an anarchist, a social anarchist. I am not a communist, because social anarchism is beyond communism.”[^56]
Nachdem die PCF 1976 die Diktatur des Proletariats aus dem Programm verband hatte, stellte er – in einer selbst für ihn seltsamen Formulierung – die „Abwesenheit des Marxismus von seiner eigenen Struktur” fest.55 Sein jahrelanger Kampf gegen die Programmänderung war gescheitert. Die Neuerung der offiziellen Parteitheorie ändert für Althusser alles. Diesmal handelt es sich nicht bloß um einen ideologischen Fehler, sondern die „Existenzformen des Marxismus” selbst seien gebrochen.56 Er ging vor dem 22. Kongress seiner Partei scheinbar davon aus, eine Art zweiten Auflage des Revisionismusstreits der zweiten Internationale durchkämpfen zu müssen, wo Reformismus ebenfalls gepaart mit einer humanistischen, Neu-Kantianischen Morallehre auftrat. Doch hatte seine Partei je beabsichtigt, den Klassenkampf um Sozialismus zu führen? Althusser war es ja gerade auch in seinen Frühschriften schon darum gegangen, eine revolutionäre Perspektive wiederherzustellen.
Er sieht nicht, wie weit Theorie und Praxis sich im Marxismus voneinander entfernt hatten, weil er beide prinzipiell getrennt behandelt. Seine strukturalistische Konzeption von Theorie als einer von vielen Strukturen der Praxis fällt ihm hier auf die Füße. Er wird hilflos an dem Punkt, wo er erkennt, dass seine Partei nicht bloß ein theoretisches Problem hat. Die Ursache für die Probleme seiner Partei sieht Althusser in der Struktur, die er alleine für den fehlenden Inhalt verantwortlich macht. Im Sinne Michail Bakunins greift er seine Partei als „Miniaturstaatsapparat” an.57 Ideologischer Irrtum in der theoretischen Praxis hemmt für ihn bestenfalls politische Praxis, die – getrieben durch den revolutionären Willen – stoisch ihren Weg geht. Allerdings hatte schon Lenin in Was tun? darauf hingewiesen, dass „die spontane Entwicklung der Arbeiterbewegung eben zu ihrer Unterordnung unter die bürgerliche Ideologie führt” und daher „jede Anbetung der Spontaneität der Arbeiterbewegung, jede Herabminderung der Rolle des ‚bewussten Elements’, der Sozialdemokratie […] – ganz unabhängig davon, ob derjenige, der diese Rolle herabmindert, das wünscht oder nicht – die Stärkung des Einflusses der bürgerlichen Ideologie auf die Arbeiter bedeutet”.58 Lenins Grundfrage von Politik – „Wer wen?” – kommt bei ihm gar nicht erst auf: Er verkennt, dass er von der PCF nur geduldet wird, weil sie ihn als links-intellektuelles, renommiertes Aushängeschild benutzen kann. Seine marxistische Rhetorik gibt Rückendeckung für anti-marxistische Politik.
Althussers Abneigung gegen spontaneistischer Theorien sollte nicht zu sehr beeindrucken. Seine Ablehnung des Subjekts führt notwendig dazu, die Spontaneität der Struktur zu vergötzen. Deshalb bekommt die Partei ebenso wie die Theorie und Philosophie bei ihm nur die mystische Rolle eines „unverzichtbaren” Assistenten.59 In seinem Essay Lenin und die Philosophie von 1968 schließt Althusser seinen Gedanken über die Rolle der Philosophie im Klassenkampf mit folgender Bemerkung: „Sie kann nur assistieren, da es weder Theoretiker, noch Wissenschaftler, noch Philosophen, noch ‚Einzelne’ sind, die Geschichte machen, sondern die ‚Massen’, i.e. die Klassen in einem vereinten, gemeinsamen Klassenkampf.”60
Entgegen seiner Behauptung wird die Partei (ebenso wie die Philosophie) als Assistent sehr wohl verzichtbar. Anarchistische Freunde Althussers wissen diese Einlassung zu nutzen; im Rahmen seiner Theorie ist sein Festhalten an ihr dogmatisch. Althusser vernebelt die Rolle der Partei, indem er Theorie und Praxis anderen, wesentlich indifferenten Sphären zuordnet.61 Sie verliert damit ihre aufklärerische Funktion in Bezug auf die Massen. Die strukturalistische Stringenz, mit der Althusser die verschiedenen Sphären von Praxis konstruiert, wird gelegentlich durch seine dogmatischen Richtersprüche aufgeweicht: Die Partei hilft der politischen Praxis; Philosophie und Theorie unterstützen, indem sie Fehler korrigieren. Allerdings folgt politische Praxis, jene, die laut Althusser „Gesellschaft verändert”, einer Struktur und pragmatischen Methodik, keiner Theorie. Politik wird von Theorie und der Orientierung auf das Endziel entkoppelt und damit beliebig. Solange der Kampf weitergeht, können alle politischen Strömungen Althussers Definition für sich in Anspruch nehmen. Der erklärte Anti-Marxist Foucault hat während seines Aufenthalts in Tunis mal bemerkt: Heute „berufen sich alle auf den Marxismus”. Wohl wissend, dass damit niemand mehr Marxist ist, Marxismus Geschichte ist, die niemand mehr schreibt. Ein leeres Subjekt.
Gerade dort aber, wo Althusser unmittelbar die Einheit von Theorie und Praxis setzt – er die Partei für „unverzichtbar” erklärt – wird auch eine mögliche andere Praxis abgeschnitten. Seine Dogmatik der Unverzichtbarkeit der Partei verpflichtet, wider besserer Einsicht mit einer existierenden Partei (bei Althusser die PCF) Vorlieb zu nehmen; sei deren Politik noch so weit von einer Orientierung auf den Sozialismus entfernt. Streng werden alle marxistischen Kategorien von Althusser verhandelt. Alles ist da, alles wird bedacht: die Partei, der Klassenkampf, die Theorie, die Diktatur des Proletariats usw. Althusser erkennt, dass vom Marxismus nur noch die Namen geblieben sind, der Inhalt aber verloren ging. Seine Lösung beläuft sich darauf, den Namen einen neuen Inhalt zu geben, der der Realität angemessen ist. Diese Realität aber hat den Inhalt des Marxismus begraben. Gerade indem er marxistische Kategorien wiedereinführt und mit einer Praxis zusammenbringt, die direkt anti-marxistisch geworden ist, wird Marxismus ein weiteres Mal vernichtet.
Das Erbe
Wie trostlos die Zeit war, als die deterministischen Theorien der großen kommunistischen Parteien das Geistesleben ganzer Generationen beeinflussten, lässt sich nur ahnen, bedenkt man, wie durchschlagend Althussers post-strukturalistische Revision des (fälschlicherweise als orthodox wahrgenommenen) Stalinismus eine ganze Generation von Intellektuellen inspirierte. Von Michel Foucault, Jacques Derrida bis hin zu Jacques Rancière, Etienne Balibar und Antonio Negri wurde sein Denken über politische Lager hinweg fortgeführt. Entgegen Althussers Absichten rückten seine Schüler und die Welt insgesamt jedoch nicht enger, sondern weiter von Marx weg. Weit davon entfernt, die noch von Althusser behandelten Fragen und Probleme seiner Frühschriften anzugehen, änderten sie den Gegenstand kritisch gemeinter Reflexion. Seinen Schülern ging es nicht mehr um die revolutionäre Dialektik des Übergangs vom Kapitalismus in den Sozialismus. Stattdessen wurde es ihr Anliegen, dialektisches Denken auszutreiben, die Selbstwidersprüchlichkeit des modernen Kapitalismus, der für Marx über sich selbst hinauswies, in die flache Widersinnigkeit der Moderne zu verkehren.
Althusser hat den hegelianischen Begriff des Widerspruchs durch sein Konzept der Überdetermination ersetzt. Diese triumphierende Bemerkung in Für Marx hat geschichtliches Gewicht. Im Namen seiner Hegelkritik wird der Selbstwiderspruch der Ware Arbeitskraft bei Marx zum ontologischen Gegensatz von zwei Entitäten: Kapital und Arbeit. Der politische Konflikt innerhalb der Arbeiterklasse wird externalisiert, äußeren Widersprüchlichkeiten angerechnet. Althusser entdeckt in seiner Theorie nur den Zustand, indem Geschichte und Gesellschaft sich ohne Klassenkampf befinden. Schon zu seiner Zeit nahmen die meisten Menschen die gesellschaftlichen Konflikte hauptsächlich als solche zwischen Ethnien, Rassen, Religionen und Geschlechtern wahr. Andere Spaltungen sind anstelle des Klassenkampfs getreten. Ob eine Arbeiterklasse in der proletarisierten Gesellschaft ihr Klasseninteresse erkennt oder aber einer Politik folgt, die ihre Konkurrenz als Waren untereinander perpetuiert, wird bei Althusser der zufälligen Häufung objektiver Widersprüche überlassen. Damit erhebt Althusser die Abwesenheit des Marxismus zum Prinzip des Marxismus selbst. Statt das Erbe der deutschen klassischen Philosophie anzutreten, wie Engels es gefordert hatte, denunziert er die moderne Utopie der Aufklärung tout court als Ideologie. Die Linke, die ihm folgt, soll indifferent gegenüber dem Inhalt des Wandels standhalten und ihre Hoffnung aus einer eindimensionalen Form, dem Chaos der Brüche, schöpfen. Stoizismus wird zur politischen Aufgabe deklariert.
Althusser ist nicht die letzte Abbiegung vor der Postmoderne, sondern eher ein versprengter, „angeekelter” Soldat auf feindlichem Terrain.62 Trotz verzweifelter Anstrengungen findet er seine Truppe nicht – sie hat längst kapituliert oder ist zum Feind übergelaufen – und verirrt sich immer weiter. Althusser hat nicht nur einen Schuss, sondern die ganze Schießerei verpasst. Als er Kommunist wurde, war der Marxismus längst nicht mehr. Mit dem Scheitern der Weltrevolution in Deutschland vor 100 Jahren, in Althussers Geburtsjahr 1918, begann sein Niedergang. Doch gerade Althussers Versuch, Marxismus, in einer Zeit wo Theorie und Praxis objektiv indifferent wurden, kohärent zu machen, passt sich der Marxismus seinem politischen Tod an.
Althusser und die tote Linke schließen die Leere zwischen Theorie und Praxis einerseits, indem sie ihre Einheit setzen, andererseits indem sie sie völlig trennen. Beides jedoch vernichtet die dialektische Spannung der Pole, die zwischen Gegenwart, Geschichte und Endziel eine Brücke schlagen sollte. Somit löst sich die Einheit in einer gegebenen, willkürlichen Praxis auf. Doch „falsche Praxis ist keine”.63 Mit der Notwendigkeit einer Vermittlung von Theorie und Praxis heben Althusser und die tote Linke auch die Notwendigkeit einer sozialistischen Partei auf. Für Marx löst die Partei an sich das Problem freilich nicht, wohl aber erlaubt sie erst überhaupt, es zu stellen. Althusser und die heutige tote Linke weichen dem Problem aus. Entweder überlassen sie durch die scheinradikale Absage an Parteien die Massen gänzlich anderen Parteien oder aber sie glauben, schon die Lösung des Vermittlungsproblems bei einer gegebenen kleinbürgerlich-demokratischen Partei (in Althussers Fall die PCF) gefunden zu haben. Nur durch theoretische Reflexion könnte eine andere Praxis werden, die auch die gegenwärtige Abwesenheit der Partei nicht einfach übergeht. Unabhängig davon, ob Althusser gelesen oder verstanden wurde: Objektiv sind alle 52 Sorten der toten Linken heute Althusserianer. | P
- Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassisch deutschen Philosophie (1886). In: MEW, Band 21. Berlin 1975, S. 307. ↩
- Louis Althusser: Marxismus und Humanismus (1963). In: Für Marx (1965). Frankfurt 2017, S. 310. ↩
- Althusser: Louis Althussers letters on the May events 1968. Paris 1969, https://www.versobooks.com/blogs/3851-louis-althusser-s-letter-on-the-may-events ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 18. ↩
- Althusser: Interview. Rom 1980, https://www.versobooks.com/blogs/3312-the-crisis-of-marxism-an-interview-with-louis-althusser ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 17 ff. ↩
- Im Grunde beschreiben Ökonomismus und Humanismus zwei Seiten desselben politischen Phänomens. ↩
- Althusser: Reply to John Lewis. Paris 1973, http://www.marx2mao.com/Other/ESC76i.html#s1a Vom Autor übersetzt. ↩
- Vgl. Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 19, S. 112, S. 116, S. 121 (um nur einige zu nennen). ↩
- Vgl. Kołakowski: Althussers Marx. London 1971, S. 116. ↩
- Karl Marx: Das Kapital (1867). In: MEW, Band 23, Berlin 1972, S. 66. ↩
- Vgl. Althusser: Marxismus und Humanismus (1963). In: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 316 f. ↩
- Althusser: Über die materialistische Dialektik. Von der Ungleichheit der Ursprünge (1963). In: Für Marx, Frankfurt 2017, S. 243. ↩
- „Die Geschichte ist nichts als die Aufeinanderfolge der einzelnen Generationen, von denen Jede die ihr von allen vorhergegangenen übermachten Materiale, Kapitalien, Produktionskräfte exploitiert, daher also einerseits unter ganz veränderten Umständen die überkommene Tätigkeit fortsetzt und andrerseits mit einer ganz veränderten Tätigkeit die alten Umstände modifiziert.” – Karl Marx: Die Deutsche Ideologie (1845-46). In: MEW, Band 3, Berlin 1969, S. 40. ↩
- Althusser: Lenin before Hegel. Paris 1969, https://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1969/lenin-before-hegel.htm Vom Autor übersetzt. ↩
- Vgl. Alfred Schmidt: Geschichte und Struktur. Fragen einer marxistischen Historik. München 1971, S. 20. ↩
- Vgl. ebd., S. 9 ff. ↩
- Theodor W. Adorno: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit (1959). Frankfurt 1970, S. 13. ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 144. ↩
- ebd., S.17 ff. ↩
- Kołakowski: Althussers Marx. London 1971, S. 120. ↩
- „Specifically, aleatory materialism is a philosophical ‘thesis’ directed at combating ‘closures’, at enjoining optimal ‘openness’. With respect to the cognitive-theoretical domain, this intervention is directed against both dogmatic and sceptical assumptions about what is or must be the case about the world. In particular, it should be understood as affirming anti-necessitarianism, not ontologically but in purely methodological terms. With respect to the practical-political domain, its intervention is directed at untested – even untestable – assumptions about the possibilities for emancipation, assumptions either about what forwards or what constrains it. As such, aleatory materialism may be compared with ‘the principle of causality/determinism’, interpreted not as an all-embracing assertion about how the world is (for example, ‘Every event has a cause’) but as a rule of procedure enjoining the search for certain sorts of conditions for what happens rather than others (such as teleological ones).” – Wal Suchting: Althusser´s Late Thinking About Materialism. London 2004, S. 66. ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 119. ↩
- ebd., S. 120. ↩
- ebd. ↩
- C. W. Mills: Letter to the New Left. New York 1960, https://www.marxists.org/subject/humanism/mills-c-wright/letter-new-left.htm ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 119. ↩
- G. M. Goshgarian: Louis Althusser: Philosophy of the Encounter – Introduction. London 1994, S. xv. Vom Autor übersetzt. ↩
- „I had no choice at the time: if I had intervened publicly in the politics of the Party, which refused to publish even my philosophical writings (on Marx), judged heretical and dangerous, I would have been, at least down to 1970, immediately expelled, marginalized and left powerless to influence the Party at all. So there remaind only one way for me to intervene politically in the Party: by way of pure theory – that is, philosophy.” – Louis Althusser (1984); zitiert nach Wal Suchting: Althusser´s Late Thinking About Materialism. London 2004, S. 3f. ↩
- Althusser: Conversation avec Richard Hyland, Paris 1982, S. 5. Vom Autor übersetzt. ↩
- Althusser: Marx and his Limits (1982– 3). London 1994, S. 128f. ↩
- Vgl. Goshgarian: Louis Althusser: Philosophy of the Encounter - Introduction, London 1994, S. xiv. Vom Autor übersetzt. ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 126. ↩
- Louis Althusser: Lenin und Hegel. Paris 1969, https://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1969/lenin-before-hegel.htm ↩
- Max Horkheimer: Dämmerung. Notizen in Deutschland (1931–4). Frankfurt 2012, S. 436. ↩
- Marx nannte das die Herrschaft der toten Arbeit (in Form von Kapital) über die lebendige Arbeit. In dieser Formulierung zeigt sich die Übernahme des hegelianischen Entfremdungsbegriffs, den Marx im Kapital mit der Dialektik von Tausch- und Gebrauchswert in ökonomische Begriffe überführt. ↩
- G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Berlin 1921, S. 26. ↩
- Marx: Grundrisse (1857-58). In: MEW, Band 42. Berlin 2015, S. 601f. ↩
- ebd. ↩
- ebd. ↩
- Marx: Manifest der Kommunistischen Partei (1847). Stuttgart 1969, S. 43. ↩
- Althusser: Interview. Rom 1980, https://www.versobooks.com/blogs/3312-the-crisis-of-marxism-an-interview-with-louis-althusser ↩
- Louis Menand: Introduction – To the Finland Station (Edmund Wilson). 2003, https://platypus1917.org/wp-content/uploads/2010/09/menandlouis_edmundwilsonfinlandstationintro2003.pdf ↩
- Adorno: Marginalien zu Theorie und Praxis. Frankfurt 1969, S. 761. ↩
- Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Berlin 1921, S. 28. ↩
- Althusser: Lenin and Philosophy. Paris 1968, https://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1968/lenin-philosophy.htm ↩
- „The ultimate reason is that the times were not ripe, that dusk had not yet fallen, and that neither Marx himself, nor Engels, nor Lenin could yet write the great work of philosophy which Marxism-Leninism lacks. If they did come well after the science on which it depends, in one way or another they all still came too soon for a philosophy, which is indispensable, but cannot be born without a necessary lag.” – ebd. ↩
- V. I. Lenin: Was tun? (1902). Berlin 1979, S. 166. ↩
- Althusser: Für Marx. Frankfurt 2017, S. 205. ↩
- Althusser: Über den 22. Kongress der Kommunistischen Partei Frankreichs. Paris 1977, https://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1977/22nd-congress.htm ↩
- „His [Lacans´] attacks on philosophers’ prejudice of the unity and autonomy of the ego or of consciousness are a much-hailed feature of his theory – and there is certainly a sense in which he is right about this. If the unconscious plays as large a role in human life as Freud says it does, such unity and autonomy as human personalities have must be a relative unity and autonomy, an achievement of the ego, not the absolute unity and autonomy claimed by philosophers from Descartes to Sartre. But Lacan is saying more than this. “ – Andrew Collier: Lacan, psychoanalysis and the Left. London 1980, https://www.marxists.org/history/etol/newspape/isj2/1980/no2-007/collier.html ↩
- „It seems to me that one source of the distortion is that Lacan confuses the ego with the super-ego. He objects to strengthening the ego as a goal of treatment because ‘repression proceeds from the ego’. Freud says this in his paper on Narcissism (Collected Papers, vol. IV, p. 50), but immediately corrects himself: ‘from the self-respect of the ego’ – and from this notion, he develops the idea of what he came to call the super-ego.” – ebd. ↩
- Althusser (1973); zitiert nach Wal Suchting: Althusser´s Late Thinking About Materialism. London 2004, S. 62. ↩
- Vgl. Adorno: Elemente einer Theorie der Gesellschaft. Frankfurt 1964, S. 122. ↩
- Althusser: Die Krise des Marxismus. Amsterdam 1978, S. 3. ↩
- ebd. ↩
- Louis Althusser: What must change in the Party? Paris 1978, S. 32. ↩
- V. I. Lenin: Was tun? (1902). Berlin 1979. S. 173. ↩
- „A party and a line are indispensable in helping the working class to organize as a class – or, which comes to the same thing, to organize its class struggle. Now, just as the party should not be cultivated for its own sake, so the working class should not be organized for its own sake or it will fall into isolation.” – Louis Althusser: What must change in the Party? Paris 1978, S. 38. ↩
- Althusser: Lenin and Philosophy. Paris 1968, https://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1968/lenin-philosophy.htm ↩
- „Herzustellen wäre ein Bewußtsein von Theorie und Praxis, das beide weder so trennt, daß Theorie ohnmächtig würde und Praxis willkürlich; noch Theorie durch den von Kant und Fichte proklamierten, urbürgerlichen Primat der praktischen Vernunft bricht.” – Theodor W. Adorno: Marginalien zu Theorie und Praxis. Frankfurt 1969, S. 763. ↩
- Die intersektionalistische Theorie und ihre Kategorie des Widerstandes haben diesen Zustand in Anschluss an Althusser am deutlichsten sanktioniert. Mit der Kategorie des Widerstands verewigt sie, wogegen widerstanden werden soll. Deshalb gibt es für sie auch keine Unterscheidung zwischen Sieg und Niederlage. Wie Althusser hat sie immer auf der Einheit der verschiedenen Wiedersprüchlichkeiten beharrt und kann deshalb als sein authentisches, direktes Erbe gelten. ↩
- Adorno: Marginalien zu Theorie und Praxis. Frankfurt 1969, S. 766. ↩